FC Slovan Liberec | Jiøí Liška im Interview über die ereignisreichen letzten Wochen beim FC Slovan
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17.11.2020

Jiøí Liška im Interview über die ereignisreichen letzten Wochen beim FC Slovan

Clemens Geißer
L i b e r e c - Eigentlich ist er als Manager der 2. Mannschaft tätig und leitet die Frauen-Akademie, doch in den letzten Wochen hat sich seine Rolle erheblich geändert. Die außergewöhnlichen Umstände der Corona-Zeiten "zwangen" Jiøí Liška zum Aufstieg zur 1. Mannschaft, die ihn nun sogar in europäische Gefilde führte. Erst half er mit bei der Organisation von Heim- und Auswärtsspielen, in Hoffenheim saß er sogar als Co-Trainer an der Seite von Pavel Hoftych auf der Slovan-Bank. Konnte Liška die letzten arbeitsreichen Wochen genießen?

Beginnen wir mit einer kurzen Übersicht. Worum kümmerst du dich beim FC Slovan?

Ich bin Hauptverantwortlicher für die 2. Mannschaft. Das umfasst Spielerverträge, die Trainingsplätze, Trainingslager bis hin zu den Organisationsabläufen rund um die Spiele. Außerdem helfe ich Jirka Neumann bei einigen Dingen rund um die 1. Mannschaft. Des Weiteren bin ich verantwortlich für die gesamte Frauen-Akademie, die wir versuchen auf das Niveau von Sparta, Slavia und Slovácko zu bringen. Das wird eine Weile dauern, aber ich glaube wir sind auf einem guten Weg. Ich will nicht sagen, dass es bisher schlecht gewesen wäre, aber es gibt stets noch Raum für Verbesserungen und daran arbeiten wir.

Und dann kam noch etwas dazu als die Europa League begann...

Ja, vor dem Spiel gegen Gent verloren wir die zwei vielleicht wichtigsten Leute aus dem Organisationsteam, die sich um alles rund um die Mannschaft kümmern. Einen Tag vor dem Spiel mussten wir dann sowohl die Gäste als auch unsere eigene Mannschaft mit allem notwendigen versorgen. In vielen Situationen musste schnell entschieden werden, oft über das Telefon. Es war nicht leicht, aber irgendwie habe ich es hinbekommen. Am Ende hat alles geklappt und die Jungs haben Gott sei Dank keinen großen Unterschied zu den üblichen Abläufen gemerkt.

Aber damit waren die Überstunden noch nicht beendet. Wie ging es in Belgrad weiter?

Dort wurde die ganze Sache noch komplizierter, weil dieses Mal das ganze Material ins Ausland gebracht werden musste. Wenn ich an meine Karriere als Spieler zurückdenke, wurde mir jetzt zum ersten Mal klar, was für ein Aufwand das ist und wie viel Arbeit rund um die Mannschaft erbracht wird. Aber die Erfahrung hat mir geholfen. Ich wusste, worum es ging und deshalb ging mir die Arbeit leicht von der Hand. Es war wichtig alle Kisten mit der Ausrüstung auf einer recht komplizierten Route nach Belgrad zu bringen. Erst von Liberec zum Flughafen, weiter ins Flugzeug, dann in den Bus, ins Hotel und ins Stadion. Das Gleiche natürlich auch wieder auf dem Rückweg. Es war eine komplizierte Angelegenheit und ich beneide die Leute nicht, die das dauernd machen, aber wir haben es gut geschafft. Dass alle geholfen haben, war ein großer Vorteil und ich glaube, das ist es, was Slovan Liberec ausmacht.

Die Leute im Klub kennen sich und helfen einander ...

Wenn es ein Problem gibt, helfen alle mit, um es aus dem Weg zu räumen, egal als was man arbeitet. Wir geben unser Bestes, damit alles funktioniert und perfekt vorbereitet ist. Das ist das größte Kapital in unserem Verein und ich glaube nicht, dass es anderswo genauso funktionieren würde. Genau das ist es, was uns erfolgreich macht - Teamgeist.

Und vor dem Hoffenheim-Spiel wurde das gesamte Funktionsteam rund um die Mannschaft in Quarantäne geschickt. Wie seid ihr mit dieser Situation fertig geworden?

Das waren viele verschiedene Dinge, die uns geholfen haben. Der Mannschaftsbus war schon vorausgefahren und erleichterte unsere Arbeit erheblich. Die Ausrüstung war gepackt und wartete schon im Hotel auf uns, als die Mannschaft mit dem Flugzeug nachreiste. Die Fahrer waren sehr hilfreich. Ich wurde Co-Trainer, weil wir am Tag vor der Abreise feststellten, dass andernfalls Pavel Hoftych allein auf der Bank sitzen würde.

Und deine Rolle hat sich nicht allein auf die des Co-Trainers beschränkt ...

Ich darf mit allem Respekt sagen, dass ich dazu wie die Jungfrau zum Kinde gekommen bin. Ich hatte keine Angst davor, da ich Erfahrung mit Trainingsgestaltung habe und habe mich darüber gefreut. Ich habe mir gesagt, ok, das ist das Resultat der Entwicklung, wie sie jetzt bei allen Klubs zu finden ist. Wie auch immer, ich habe Pavel in nichts reingeredet und die Reise genossen, denn wer kann schon sagen, dass er als Co-Trainer in der Europa League gearbeitet hat. Alle Spieler wollen diesen Wettbewerb spielen und die Trainer wollen ihn auch. Ich habe mich über diese Chance gefreut. "Hoffta" sagte mir, was ich im Training am Mittwoch tun sollte, also die taktische Vorbereitung und dann leitete ich auch am Donnerstagmorgen das Abschlusstraining sowie die Spielerwärmung. Anschließend übernahm der Trainer wieder und während des Spiels musste ich nichts weiter tun.

Viele Spieler wurden für dieses Spiel aus der 2. Mannschaft hochgezogen. War es für dich von Vorteil, dass du mit vielen Spielern zusammenarbeitest und sie dich kennen?

Ich habe vor dem Spiel mit "Bobo" (Physiotherapeut Michal Koneèný) darüber gesprochen, der auch mit uns nach Hoffenheim gefahren ist. Wir fanden es schon komisch und haben darüber gelacht, wie schön, unberechenbar und schnell der Fußball sein kann. Von heute auf morgen konnten die Jungs plötzlich Europa League spielen. Wir haben uns gesagt, dass wir das genießen wollen. Sie haben ein wunderschönes Stadion in Hoffenheim, die Fußballkultur ist in Deutschland etwas anderes als bei uns oder in Serbien. Es ist schade, dass wir nicht vor ausverkauftem Haus spielen konnten, obwohl es diesmal wahrscheinlich eher von Vorteil war. Wir danken "Bob" für seine Arbeit, egal ob bei der 2. Mannschaft oder jetzt als Ersatz bei der Ersten. Wir sind wirklich ein Familienklub, in dem niemand nach dem wie und warum fragt, aber alle ziehen mit.

Das Beste kam beim Auswärtsspiel in Teplice, als Slovan drei wichtige Auswärtspunkte erkämpfte ...

Also wenn ich vor dem Spiel 25 Leute aus Liberec gefragt hätte, wie das Spiel ausgeht, hätte ich wahrscheinlich als Antwort erhalten, dass ein Punkt Gold wert wäre. Dann haben wir es tatsächlich geschafft zu gewinnen. Als der Schiedsrichter abpfiff, konnten alle, ob Spieler, Funktionsteam oder Vereinsführung ihr Glück kaum glauben. Es war ein tolles Gefühl, denn wir hatten nicht in den kühnsten Träumen darauf gehofft, dass das passieren könnte und dann hatten wir die drei Punkte. Vielleicht war es eine kleine Belohnung dafür, dass sie die letzten Europacup-Spiele so gut über die Bühne gebracht hatten. Die Jungs haben gekämpft, der Trainer hatte sie taktisch gut vorbereitet und dann haben sie es einfach durchgezogen. Alle haben gebrüllt und waren nach dem Spiel glücklich wie kleine Kinder.

Jetzt sollte sich die Arbeitsbelastung langsam wieder normalisieren, oder?

Ja, jetzt beruhigt sich die Situation langsam wieder, was zu diesem Zeitpunkt ein wenig seltsam ist. Es kommen die Leute zurück, die vor kurzem noch krank waren und jetzt glücklich sind, wieder ihrer Arbeit nachgehen zu dürfen, die ihnen Spaß macht. Doch ich möchte ihnen danken, denn es war sicher nicht so, dass sie untätig zuhause gesessen haben. Sie haben viele Dinge in Heimarbeit erledigt und die Spiele in der Europa League und in Teplice mitorganisiert. Ich würde sagen, für sie was es noch schwieriger, als wenn sie mit der Mannschaft vor Ort gewesen wären. Viele haben sich doppelt so sehr angestrengt und hatten vielleicht auch Stress, damit alles funktioniert. Wir helfen uns aber grundsätzlich gegenseitig, wenn jemand etwas braucht und in diesem Sinne war die Situation jetzt gar nicht so anders als sonst auch.

Aber dank dieser besonderen Situation wirst du zumindest etwas haben, woran du dich erinnern wirst ...

Das werde ich mit Sicherheit. So was mitzuerleben ist schon etwas Besonderes, aber auf der anderen Seite hoffe ich, dass ich nichts Vergleichbares mehr erleben muss. (lacht)

Die letzte Frage und damit gleichzeitig zurück zur Einleitung. Wie beurteilst du das Wachstum des Frauenfußballs?

Wenn wir uns andere Industrieländer in Europa ansehen, ich persönlich stehe häufig mit Deutschland in Kontakt, ist der Frauenfußball auf einem hohen Niveau. Er ist besser organisiert als in Tschechien. Jeder Bundesligaverein aus der 1. und 2. Bundesliga, möglicherweise sogar aus der 3. Liga, hat eine eigene Mädchenakademie, in der Champions League stand mit dem VfL Wolfsburg ein Bundesliga-Verein im Finale. Aber auch bei uns ist der Frauenfußball auf dem Vormarsch. Er wird zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Klubs und ich wage zu behaupten, dass wir in drei bis vier Jahren viel darüber hören werden. Er wird auch von der UEFA unterstützt, die das Bewusstsein dafür schärfen möchte. Es wird an Regularien gearbeitet, die darauf abzielen die Erst- und Zweitligaklubs zu einer Mädchenakademie zu verpflichten. Es gibt viele Mädchen, die Fußball spielen wollen, was man in den Schulen und Universitäten sehen kann. Wir freuen uns darüber, es ist aber auch gleichzeitig eine Verpflichtung für uns, unsere Arbeit gutzumachen. So nehmen wir zumindest eine Weichenstellung für die nächste Generation vor.


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